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Reisebericht 6
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Vom Pantanal über Rio nach Florianopolis
So um den 27. Feb. 2002

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Auf der langen, verzweifelten Suche nach dem Strand sind wir in Brasilien im Pantanal gestrandet. Hier gibt es zwar keinen Strand, dafür ist es aber schon mal ziemlich heiß und schwül:

Ohne Markus hätte ich das nie geschafft. Da saß ich (Stephan) nun auf diesem Gaul, der sich weder nach rechts, nach links, geschweige denn geradeaus bewegte. Stattdessen wackelte er unaufhörlich mit dem Kopf und machte Anstalten, mich herunterzuschmeißen. Die Gruppe war schon längst auf und davon. Gunnar, unser Guide, interessierte es nicht die Bohne, wie ich mit dem Pferd klarkam. Sollen die blöden Gringos doch bleiben wo sie sind, statt sich mit Pferd in die Wildnis zu wagen ... Mein Wutausbruch und meine Bitten um Hilfe, fünf Minuten zuvor, waren jedenfalls unbeachtet geblieben.

Markus, der das gesamte Schauspiel betrachtet hatte, ritt zurück und redete beruhigend auf mich ein: "Die Zügel locker lassen, leichte Bewegungen, auf den Horizont schauen, sich den Bewegungen des Tieres anpassen, nicht ans Fallen denken ..." Dann die nächste Lektion: "Nimm die Hand vom Haltegriff. Richte Dich auf und steige in die Bügel. Mach die Bewegungen mit. Keine Angst ..."

Das Pferd begann sich zu bewegen und Markus staunte nicht schlecht, als ich im Galopp davonritt. Nicht dass ich bewusst den Galopp gewollt hätte ... Er ist mir quasi sozusagen passiert ... Nach vier Stunden im Sattel ist mir der Galopp immer öfter passiert. Wenn ich gewusst hätte, welche Muskeln noch so unbekannterweise in meinem Körper schlummern, dann hätt ich wohl mein Temperament gezügelt.

Wie schon gesagt, wir sind also mitten im Pantanal. Dem riesigen Feuchtgebiet, das sich in Brasilien, Bolivien und Paraquay auf einer Fläche, die so groß wie das frühere Bundesgebiet ist, erstreckt. Überall Wasser! Unser Hotelier besitzt eine Ranch in der Nähe von Corumba. Die 20 Kühe finden in diesem Jahr keinen Platz auf dem 10.000 Hektar großen Gelände. Was lange als überflutungssicher galt, ist nun komplett überflutet und er war gezwungen, anderes Farmland zu mieten.

Eigentlich dachten wir, dass Pantanal sei eine staatseigene Fläche. Weit gefehlt. Mehr als 90 % des Bodens bzw. des Wassers sind in privatem Besitz. Früher wurden in der Gegend um Corumba Krokodile gejagt. Nacht für Nacht schossen ihnen die Jäger eine Kugel in den Kopf. Genau zwischen die Augen. Um die wertvolle Haut nicht zu beschädigen. Heute führen ehemalige Jäger mutige Sozialarbeiter und andere verrückte Touristen in das Pantanal. Auf drei-, viertägigen Erlebnistouren per Bus, per Boot, zu Fuß und zu Pferd. Neben unzähligen Krokodilen, Wasserschweinen, Reihern, Greifvögeln, Schlangen, Affen, Aras, Piranhas. finden sich auch Millionen von Mücken ein. Wer Tiere sehen will in Brasilien, geht hierhin und nicht in den Amazonas. Dort sieht man vor lauter Wald nicht einen einzigen Affen ...

Wir hingegen haben ganze Affenfamilien gesehen. Dazu seltene blaue Aras, die pro Stück 50.000 US-Dollar nur für den Jäger in Brasilien bringen. Der Endverkaufspreis soll in den westlichen Ländern bei weit über 100.000 US-Dollar liegen. Abends haben wir Piranhas gefischt, die wir am nächsten Tag gebraten haben. Conny konnte drei, ich immerhin einen fangen. Die Tiere lieben Lammfleisch. Eigentlich hätte ich erwartet, dass Piranhas, bekannt als Aas und Fleischfresser, selbst einiges an Fleisch bieten. Aber Pustekuchen. Unter der Haut ist nur eine dünne Fleischschicht, so dass man zum Sattwerden mindenstens 30 Fische essen muss ...

Nach dem Fischen sind wir zur Abkühlung ins warme Wasser gesprungen. Dass am anderen Ufer die Krokodile zeitgleich ins Wasser glitten, störte uns lediglich anfangs. Unser Guide erklärte uns, dass Krokodile nur kleinere Beutetiere angreifen. Und größer bin ich allemal. Man denke da nur an meinen Bauch ...

Nach den erlebnisreichen Tagen und den Millionen Beulen auf der Haut sehnten wir uns nach Strand. Nach Erholung. Nach Ausruhen. Nach einer reisefreien Zeit, ohne Bus, ohne Flugzeug ...

Die Sehnsucht darauf begleitete uns nun schon seit Wochen. Jetzt war endlich Zeit. Völlig genervt von den Umständen, von uns, von der Aussicht auf lange Fahrten haben wir uns hinreißen lassen und den Flieger genommen. Zunächst einen kleinen, der uns in einer Stunde in die nächstgelegene Stadt brachte, von der wir direkt nach Salvador fliegen wollten. Aber wie das so ist, wenn man etwas jetzt und sofort will. Es ging kein Flieger nach Salvador. Also buchten wir einen Flieger an die Küste. Nach Valencia. Günstig gelegen, wie wir dachten. Der Flieger hatte nur einen Nachteil: Er ging morgens um 4 Uhr. Da wir gegen 15 Uhr angekommen waren und nicht wirklich in der Stadt weilen wollten, beschlossen wir, kein Hotel zu suchen ...

Nachdem wir dann mit dem Taxi in die Stadt gefahren sind, die im übrigen ungefähr so schön ist, wie Duisburg-Meiderich, sind wir in das nächste Internet-Cafe, wo wir - dank der guten Tipps von Lais und Rudi - die nächsten Tage in Bahia planten. Nach ca. zwei Stunden jedoch waren wir des Planens müde und standen ziemlich ratlos vor dem Cafe.

Zwei Jungs, die gerade ein Bier nach dem anderen in sich reinkippten, luden uns ein. Wir, die wir nichts besseres zu tun hatten, setzen uns dazu und in einem Gewirr aus Französisch, Englisch, Spanisch sind wir quasi erfolgreich die Sprache umgangen, die in diesem großen Land eigentlich gesprochen wird, dem brasilianischen Portugiesisch. Der Abend ist recht lang und lustig geworden. Später kam noch eine weitere Freundin hinzu, die bei den gröbsten Missverständnissen, die besonders zu vorgerückter Stunde immer lustiger wurden, weiterhelfen konnte. Ungefähr zwei Stunden vor dem Abflug haben wir uns voneinander verabschiedet.. Die drei mussten am nächsten Morgen früh raus, zu einer weiteren Prüfung. (Hoffentlich sind die bestanden!) Im Flughafen ist Conny trotz der unbequemen Stühle schnell eingeschlafen und ich habe Wacht gehalten.

Als wir nach zwei vollen Tagen ohne Schlaf in Coneixao da Barra angekommen waren, fanden wir nicht das ersehnte tropische Sonnenwetter, sondern unerwartet heftige Regenfälle,. die nun schon seit zwei Wochen unaufhörlich andauerten, wie uns die Hotelbesitzerin schulterzuckend erklärte. Wir waren von der Reise so ausgezehrt, dass wir uns in das kleine ungemütlich Zimmer legten und einfach nur die Augen zu gemacht haben. Dat haben wir dann auch erfolgreich fast den gesamten Tag gemacht. Natürlich war datt Wetter an diesem Tag genauso Scheiße wie der Strand, der quasi gar nicht existierte. Und dafür hatten wir den ganzen Aufstand gemacht???

Nachdem wir Schlaf nachgeholt hatten, entschlossen wir uns mürrisch und standfest, weiter den Strand und die Sonne zu suchen. In einer weiteren achtstündigen Tagestour sind wir nach ... (da wo der Pfeffer in Brasilien wächst, jawohl, datt gibbet auch hier) gefahren und haben dann glücklicherweise die letzte Fähre erwischt, die uns nach Morro da Sao Paulo gebracht hat. Die Hotelsuche gestaltete sich problemlos und es blieb noch Zeit für einen kurzen Gang zum Strand.

Unglaublich!

Wir hatten nun nach fast einer Woche des permanenten Reisens von Lima nach Morro endlich unser Paradies gefunden! Türkisblau lag das Meer vor uns. Dazu lange, lange weiße Sandstrände mit feinem, weichen Sand. Die Wassertemperatur, wie sie in unserer Badewanne zuhause nicht besser sein könnte. Hier wollten wir bleiben und einfach nur ruhen. Und das haben wir ausgiebig gemacht. Unter Touristen konnten wir uns endlich mal wieder als Touristen outen. Mussten nicht ständig darauf achten, dass irgendetwas gestohlen wird, nicht ständig präsent sein, konnten auf überflüssige Bekleidung verzichten, weil sowieso der gesamte Ort aus Touristen bestand, die außer Badeklamotten nur abends Kleidung an ihre Körper ließen ... Unfassbar, dass man sich nach so einer Touristeninsel sehnen kann. Aber für uns war es nach viereinhalb Monaten das erste Mal, das wir nicht nach drei, vier Tagen weiterwollten, sondern innehalten konnten. Wir wollten nicht mehr viel weiter nördlich fahren, um vielleicht noch die Dschungelstadt Manaus zu sehen, Brasilia, die utopische Hauptstadt Brasiliens zu bestaunen, oder Diamantenia, einem alten Relikt. aus der Diamantgräberzeit. Wir hatten genug von Kultur, Tempeln, Kirchen, Rokkoko, Barrocko, Inkas, Vorinkas und wie datt ganze wunderschöne, geniale in Geschichte gehauene. Zeug auch heißen mag ... Wir wollten einfach nur sein!

Nach einer Woche Morro haben wir dennoch beschlossen, das Paradies zu verlassen. Zum einen gibbet im Paradies keinen Geldautomaten und zum anderen wussten wir Karneval nicht einzuschätzen. So schien es uns besser, vor Karneval die afrikanische Hochburg und Enklave des Straßenkarnevals in Brasilien schlechthin, Salvador, zu besuchen, um dann entweder dort feiern zu können oder rechtzeitig nach Rio zu gelangen, um auch dort eine Unterkunft organisieren zu können.

Dank der tatkräftigen Unterstützung von Lais und Rudi, die im fernen, kalten Köln für uns. Kontakte knüpften, erfuhren wir, in welches Theater man in Salvador gehen muss, wo sich der schönste Markt befindet und welche Kirchen wirklich sehenswert sind. Und diese Tipps waren sprichwörtlich Gold wert. Wir haben die goldigste Barrockkirche Bahias bestaunt, sind auf dem Markt gewesen, wo man wirklich alles für die hier gebräuchlichen Kultrituale kaufen kann. Neben eingelegten Hasenfüßen und Schlangenhäuten gibt es unzählige Pasten und Kräuter, die die afrikanische Gemeinde zwanglos neben den christlichen Ritualen verwendet. Abends haben wir eine Tanzshow besucht, die ihresgleichen sucht. Nie zuvor haben wir Kampftänze. in solch vollendeter Form gesehen wie hier. Spannungsgeladen und formvollendet wirbelten. die Tänzer über die Bühne. Der irreführende, leicht antiquierte Name Folklore-Tanz hat nichts gemein mit den Heimatabenden in so manch Kurstätten. Wer das nicht einmal gesehen hat, hat Salvador verpasst. Danke Ariane!!!

Hätten wir gewusst, wie leicht die Organisation eines Zimmers in Rio ist, dann wären wir noch länger in Salvador geblieben. Aber da dort die Preise anstiegen und. wir dasselbe in Rio erwarteten, machten wir uns rechtzeitig auf dem Weg.

In Rio angekommen, haben wir sofort ein gutes Hotel gefunden. Aber Hochstimmung sollte nicht aufkommen. Ett war eisekalt in Rio (ca. 23° C) und regnete unaufhörlich. Watt also machen. Wir sahen uns schon wieder Kultur und Stadt ansehen. Aber glücklicherweise meint der Wettergott es nun wirklich gut mit uns. Wir haben heute einen wunderbaren Tag an der Copacabana verbracht. Wiederum durch die Hilfe von Lais und Rudi haben wir das Hotel gegen eine geradezu fürstliche Privatunterkunft, zwei Minuten vom weltberühmten Strand Copacaba entfernt, eingetauscht. Benno und Telma haben uns herzlich aufgenommen und uns angeboten, bis nach Karneval bei ihnen zu bleiben. Es ist einfach grandios, wie diese Reise gerade durch die Herzlichkeit der Menschen hier vor Ort lebt. Einfach schön!!

Ach Karneval: Den gibbet hier in Rio! Aber in Köln sieht man davon genausoviel wie wir hier vor Ort. Hätten wir das mal vorher gewusst ... Die Karten im Sambodrom sollten ca. 600 Rais pro Person kosten. Umgerechnet 300 Euro für ein paar Stunden Show. Das war uns die Sache nicht wert. Also haben wir statt Karneval den Strand gewählt.

Nach anderthalb Wochen Rio sind wir weiter nach Sao Paulo gefahren. Dort wurden wir von der Familie Lamboy wunderbar durch die Stadt geleitet. Wir haben neben dem Schlangenmuseum eine private wunderbare Stadtführung genossen. Haben den Strandort Santos gesehen, wo wir zunächst im warmen Wasser baden waren und uns später im Regenschauer duschen konnten. Maria Elisa hat hervorragend für uns gekocht, so dass wir den Regenschauer (der irgendwie doch nicht aufhören wollte) bei kulinarischen Genüssen gelassen nehmen konnten.. Am nächsten Tag sind wir in einem Churrasco-Lokal gewesen, zu dem wir von Lais Vater eingeladen wurden. Ich glaube, mein Vater hätte hier wirklich Spaß.. Dort wird Fleisch an riesigen Spießen präsentiert und in feine Stücken geschnitten. Und das in solchen Mengen, dass man sich für mindenstens vier Tage satt essen kann. A propos Essen. Wir haben in keinem anderen südamerikanischem Land so gutes Essen und so frische Säfte genießen können.

Es tut gut, sich von der Fachkenntnis einer einheimischen Familie leiten zu lassen und die Gastfreundschaft zu genießen!

Weiter ging es zum Foz de Iguazu. Die Fahrt nach Foz war recht angenehm. Die Stopps waren gut gewählt und die Fahrer sind schnell und sicher gefahren. Wir haben die meiste Zeit geschlafen. Die Zeit verging quasi wie im Fluge ...

In Foz angekommen, haben wir direkt ein gutes Hotel gefunden, die Sonne schien und wir sind nach einem guten Frühstück direkt zum Vogelpark und den Wasserfällen. Zunächst waren wir beim Anblick der Wasserfälle enttäuscht. "Das sollte alles gewesen sein?" Aber bei näherer Betrachtung entpuppte sich der unspektakuläre Wasserfall (wie abgehoben das klingen muss, sowas hat man nun von übersättigten Touristen ...) als unglaublich fazinierend und großartig. Naturwunder, so unsere Erfahrung, brauchen mehr als fünf Minuten Zeit und ein flüchtiges Vorübergehen. Auf der brasilianischen Plattform waren wir nah genug an den Wasserfällen und nach weniger als fünf Minuten waren wir gut durchnässt, was allerdings angesichts der Temperaturen eher eine Wohltat war.

Am nächsten Tag sind wir rüber nach Paraguay und haben den unglaublichen Warenverkehr bestaunt. Wie wir einem Bericht entnehmen konnten, sind 90 % der dortigen Ware Schmugglergut. Man findet neben garantiert echten Rollex-Uhren für ca. 20 Dollar haufenweise Kameras jeglicher Art,. Computerprogramme, Musik und und und ...

Später sind wir noch zum Staudamm gefahren und haben - welch ein Glück- noch eine Führung genossen. Ein unglaubliches Projekt, vor allem wenn man bedenkt, dass 25 % des brasilianischen Stromes und 75 % des paraguayianischen Stromes aus der Kraft des Wassers gewonnen wird.. 14 Tage benötigten die Wassermassen, um den riesigen See entstehen zu lassen, mehr als 20 Jahre wurde der Damm gebaut ...

Am selben Abend sind wir wieder zurück an die Küste, nach Florianopolis gefahren. Leider war das Wetter am nächsten Morgen diesmal nicht so gut. Es regnete in Strömen und Conny und ich waren aufgrund der Fahrt recht geschlaucht. Aber - seit zwei Tagen genießen wir die Sonne und die Strände. Wir sind in einem akzebtablem Zimmer in der Jugendherberge untergekommen und haben mit den anderen Reisenden eine Menge Spaß ...

Hier nun endet die Berichtsreihe des ersten halben Jahres. Ohne die vielen unzähligen Begegnungen, zufällig und auch geplant, wäre die Reise nicht so großartig verlaufen. Wir sind dankbar und glücklich, dass wir diesen Schritt gewagt haben ...

Bis die Tage - diesmal aus Neuseeland!

Conny und Stephan

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© 2002 Maria Oelinger
Dipl.-Math.
Einmal um die ganze Welt Letzte Änderung: 02.03.2002
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